Die Altstadt nicht mehr im Abseits

Von Werner Schäfer - übernommen aus der Festschrift zum 20. Altstadtfest

Mehr als 1200 Jahre war jener Stadtteil, den wir als Altstadt Straubing bezeichnen, ein wichtiger zentraler Ort an der Donau. Auf dem Boden einer keltischen Ansiedlung errichteten die Römer Kastelle und ein ausgedehntes Lagerdorf mit beträchtlicher Bedeutung am osträtischen Donaulimes. Um den späteren Friedhofshügel von St. Peter entstand Strupinga, Alt-Straubing, das unter dem Augsburger Domkapitel als Grundherr zu einer Siedlung mit stadtähnlichen Strukturen wurde. Mit der Gründung der wittelsbachischen Neustadt im Jahr 1218 verlor Alt-Straubing seine bisherige Bedeutung und wurde zu einer Vorstadt, obwohl St. Peter noch die offizielle Stadtpfarrkirche blieb.

Vor allem in den letzten 50 Jahren begann sich diese Lage „im Abseits“ (Dorit—Maria Krenn) zu ändern. Industrieansiedlungen und neue Schulen, Klinikum St. Elisabeth und Polizeiverwaltungsamt, das Kompetenzzentrum für nachwachsende Rohstoffe und erste Schritte für den Ausbau des Wissenschaftszentrums zum Hochschulstandort Straubing usw. rücken die Altstadt immer mehr in den Mittelpunkt des öffentlichen und politischen Interesses. Die Altstadt hat den Anschluss an die Moderne gewonnen.

Die Altstadt war und ist aber auch ein Stadtteil mit kunst- und kulturgeschichtlichem Rang. Es war und ist deshalb für die Straubinger Altstadtfreunde ein Herzensanliegen, dieses Erbe zu bewahren, seine Erhaltung zu fördern und die notwendigen Restaurierungsmaßnahmen nach Kräften zu unterstützen.

Natürlich ist an erster Stelle der Historische Friedhof St. Peter zu nennen. Er stellt ein außergewöhnliches Zeugnis für christliches Totenbrauchtum und christliche Kirchhofkultur dar. Innerhalb des Mauerrings, der den Friedhof von der Außenwelt abschirmt und ihn zu einem Ort der Ruhe und der Stille macht, befinden sich mehr als tausend Grabdenkmäler aus sieben Jahrhunderten, vom kunstvollen figürlichen Grabstein des 14. Jahrhunderts bis zu den einfachen Holzkreuzen für die Opfer des Zweiten Weltkriegs, von erstklassigen Werken der barocken Epitaphkunst bis zu den gusseisernen Kreuzen des 19. Jahrhunderts. Der großen Schatz an schmiedeeisernen Kreuzen ist von beträchtlichem Wert. Auch der großfigurige barocke Ölberg fügt sich in dieses Denkmalensemble harmonisch ein.

Nicht weniger als 4 Sakralbauten aus dem Mittelalter erheben sich auf dem Historischen Friedhof St. Peter. Die romanische Basilika gehört zu den mächtigsten Bauwerken der Zeit um 1200 in Niederbayern. Die Gedenkkapelle für Agnes Bernauer, gestiftet 1436, besitzt besondere geschichtliche Bedeutung. Die beiden ehemaligen gotischen Karnerkapellen, der doppelgeschossige alte Karner und die Toten- oder Seelenkapelle, sind interessante architektonische Anlagen. Allerdings bedarf gerade der alte Karner, die Liebfrauenkapelle, dringend der Sanierung und Restaurierung.

Der kunstgeschichtliche Rang wird durch eine Reihe von hochwertigen Einzelkunstwerken unterstrichen. Der überlebensgroße spätromantische Christus der Basilika darf zu den beutenden seiner Art gezählt werden. Die eindrucksvolle Pietà gehört in die Spitzengruppe dieser Andachtsbilder aus der Mitte des 14. Jahrhunderts. Die Epitaphien in der Bernauer-Kapelle, beginnend mit dem kunstvollen und symbolträchtigen Epitaph für die Bernauerin selbst, über ein Renaissance-Werk des Landshuter Bildhauers Hans Leinberger bist zum Altarepitaph mit einer „Not Gottes“ von Martin Leutner um 1618 bilden ein ungewöhnlich qualitätvolles Ensemble. Der Totentanzzyklus von Felix Hölzl aus dem Jahr 1763 in der Toten- oder Seelenkapelle schließt die Jahrhunderte lange Entwicklung der Totentänze monumental ab.

Ein wichtiges Anliegen war für die Altstadtfreunde neben St. Peter die Unterstützung der Restaurierung der Schutzengelkirche. Sie standen ihrem Mitglied Lutz Burgmayer und seiner „Schutzengelhilfe“ gerne zur Seite. Schon die Entstehungsgeschichte des Franziskanerklosters und ihrer Schutzengelkirche wirft ein bezeichnendes Licht auf die Situation der Altstadt am Ende des 17. und im beginnenden 18. Jahrhundert. Erst nach jahrelangem Kampf gelang es den Altstädtlern und den Franziskanern, die Gründung einer Ordensgemeinschaft für die Seelensorge in der Altstadt durchzusetzen. Nach erfolgreicher Instandsetzung präsentiert sich die ehemalige Franziskanerkirche und spätere Kircher der Barmherzigen Brüder als ein beispielhaftes Gotteshaus, das in barocken Formen noch immer den Geist des Bettelordens zeigt. Der weite Wandpfeilersaal wurde aber auch zu einer Galerie der barocken Sakralmalerei in Straubing. Die Altarblätter stammen von so anerkannten Meistern wie dem Hofmaler Johann Casper Sing, dem Freskanten Melchior Steidl, dem jungen Cosmas Damian Asam mit seinem ältesten bekannten Ölgemälde und dem ebenfalls noch jungen Johann Evangelist Holzer, dessen Frühwerk in der Schutzengelkirche bereits die Begabung des späteren „bayerischen Rubens“ verrät. Der Hochaltar mit seinem ungewöhnlichen Reliquientabernakel verdient besondere Beachtung. Die Mittel der Altstadtfreunde waren in der Schutzengelkirche wirklich bestens angelegt!

Großen Einsatz erforderte für den Verein die spätgotische (Dornen)krönungskapelle. Der Schutzengelkirche vorgelagert, war sie eine Durchgangskapelle für die Leichenzüge auf dem Weg von der Neustadt zum Petersfriedhof. Leider verlor sie ihre Innenausstattung, doch die Gesamtanlage und die Bemalung im Rippengewölbe des kleinen Altarchors, einschließlich eines Wappens mit dem Straubinger Pflug, sind durchaus hervorhebenswert.

Dem Besucher der Altstadt sei darüber hinaus die Klosterkirche St. Anna der Elisabethinen empfohlen. Als Herz der Klostergebäude aus dem ausgehenden 18. Jahrhundert ist sie Straubings liebenswürdiger Ausklang des Rokoko. Als bemerkenswertes Beispiel für den evangelischen Kirchen- und Pfarrhofbau nach dem Zweiten Weltkrieg steht die Versöhnungskirche unter Denkmalschutz. Die gotische, barockisierte Kapelle St. Nikola in ihrer Nachbarschaft erinnert an das Haus der Sondersiechen, die hier, angewiesen auf die Wohltätigkeit ihrer Mitbürger, ein hartes Dasein fristeten.

Zwar sind die Altstadtfreunde nicht mehr ein Teil des mittelalterlichen Stiftungswesens, doch ihre Bestrebungen bei der Förderung von Kunst und Kultur sowie sozialer Einrichtungen speziell in der Straubinger Altstadt wurzeln in der heute wie damals gültigen Vorstellung, dass die Sorge um das Gemeinwohl eine Angelegenheit aller ist.