Wiedergeburt eines Juwels in der Altstadt

Zum Tag des offenen Denkmals am Sonntag, 10. September, präsentiert sich die Krönungskapelle

Von Werner Schäfer - Straubinger Tagblatt, 5. September 2023

Zur nun seit Jahrzehnten laufenden großen Transformation der Altstadt hin zu einem Zentrum der Forschung, der Universitätslehre und der angewandten Wissenschaften von nationaler und internationaler Bedeutung, gesellt sich nach langer Restaurierungsphase ein kleines, aber feines Gebäude aus Straubings Kunst- und Kulturgeschichte: die Krönungskapelle. Beim Tag des offenen Denkmals 2022 noch Baustelle, präsentiert sie sich dieses Jahr, genauer am Sonntagnachmittag des 10. September, mit neu erstrahlendem Innenraum bei Führungen um 13 Uhr, 14 Uhr und 15 Uhr (mit Gästeführerin Ursula Bosl-Seitz und zwei Restauratorinnen).

„Capeln vnsers Herrn Krönung“ lautet die genaue Bezeichnung und verweist auf das Patrozinium „ad Coronam Christi“, auf die Dornenkrönung. Wohl in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts entstanden, sicher vor dem Jahr 1486/1487, vollzog der Patrizier Jörg Lerchenfelder der Jüngere im Jahr 1507 eine Stiftung seines Vaters, gewidmet „den armen leuten, die mit der schweren krannckhait malafrantzos beladen und im haus, auch bey derselben neuen capelln gelegen, wonenn synd“. Gemeint waren die an der Syphilis erkrankten Menschen, die in einem Siechenhaus bei der Kapelle lebten. Gemäß der Überlieferung war das Siechenhaus auf der nördlich gegenüberliegenden Straßenseite durch eine Zugbrücke mit dem Kapellenraum verbunden. In der Barockzeit erhielt der kleine Sakralbau ein Türmchen.

Der Bautypus der Krönungskapelle verweist auf eine besondere Funktion. Der Altarchor ist nicht mittig angeordnet, sondern nach Süden versetzt, um an der Nordseite einen Durchgang zwischen zwei Eingängen an der West- und Ostseite freizuhalten. Es handelt sich um eine Stationskapelle für Prozessionen, vor allem für die Leichenzüge von der Neustadt zum Friedhof St. Peter. Solche Kapellen mit Durchlässen für Prozessionen finden sich auch andernorts. Aber Straubing dürfte in dieser Hinsicht ein Alleinstellungsmerkmal besitzen. Die Krönungskapelle ist nämlich Teil eines Kapellentrias, die im Jahr 2022 im Mittelpunkt einer Führung am Tag des offenen Denkmals stand: Krönungskapelle – Totentanzkapelle – Bernauer-Kapelle. Eine solche Dreizahl an miteinander funktional verbundenen Durchgangskapellen dürfte höchst selten, wenn nicht einmalig, sein.

Ein bemaltes Chorgewölbe


Das saalförmige Langhaus weist zwei Fensterachsen auf. Im Barock wurde die mittelalterliche Flachdecke durch eine Kassettendecke ersetzt, die nun wieder instandgesetzt ist. Am Chorbogen konnten gemalte Pflanzenmotive gesichert werden. Das Netzrippengewölbe des Altarchors ruht auf profilierten Spitzkonsolen. Bemerkenswert sind die Gewölbekappen zwischen den in kräftigem Rotocker gehaltenen Rippen. Sie zeigen in hellen Rotockertönen spätgotische Maßwerkmalerei aus Dreipässen, Vierpässen und Fischblasen. In vier Feldern sind Engel mit Leidenswerkzeugen dargestellt. Einer der beiden Schlusssteine ist mit dem Haupt Christi geschmückt, der andere mit dem einfachen Pflugwappen der Stadt Straubing.

Zwei Tartschen an den seitlichen Rippenschnittpunkten tragen die bayerischen Rauten und den Querbalken des Wappens der österreichischen Babenberger, wahrscheinlich Hinweise auf Herzog Albrecht IV. von Bayern und seine 1487 angetraute Ehefrau Kunigunde, die Tochter Kaiser Friedrichs III. Der Gewölbegrund ist in einem Blauton gehalten.

Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts war die Krönungskapelle nicht gefährdet. Im Jahr 1516 stattete sie der Pfarrer Johann Pistor zu Rattenberg mit einem Benefizium aus, einer wohltätigen Stiftung. Zustiftungen vollzogen 1765 Max Ägidius Kajetan von Ossing, der Pfarrer von St. Peter und Initiator des Totentanzes, und 1844 der Benefiziat Michael Rohrmayer.

Immer wieder gab es Abrisspläne


Die liturgische Nutzung ging allerdings stark zurück. Im Jahr 1867 schien die Kapelle dem Abriss geweiht. Der Prior des benachbarten Klosters der Barmherzigen Brüder, ehemals der Franziskaner mit der Schutzengelkirche, wollte an ihrer Stelle ein Klosterwirtshaus errichten. Der Regensburger Bischof Senestrey lehnte dieses Ansinnen ab, weil es sich aus Sicht des Ordinariats um ein architektonisch bedeutsames und wohlerhaltenes kirchliches Bauwerk mit eigenem Benefizium handelte.

Auch durch das Ende der Bestattungen im Petersfriedhof 1879 geriet die Krönungskapelle immer stärker in Vergessenheit. Das Bezirksamt sprach ihr keine Funktion mehr zu und trieb den Abriss voran, der Stadtmagistrat verhinderte ihn. Das Jahr 1892 brachte jedoch das Ende als liturgischer Raum, 1905 übernahm die Almosenstiftung das Besitztum. 1912 wurden Ausbesserungsmaßnahmen durchgeführt. 1941 wünschte Oberbürgermeister Reiter wieder den Abbruch, die Innenausstattung war weitgehend verschwunden. Rettung kam 1948 durch das Landesamt für Denkmalpflege, so wurden auch die spätgotischen Malereien im Gewölbe konserviert. 1964 erfolgten weitere Erhaltungsarbeiten, beispielsweise 1996/97 an Dach und Turm.

Die Erhaltung als Gemeinschaftswerk

Die Krönungskapelle wird nach Instandsetzung des Innenraums und des Hochaltars bald wieder zumindest einen Teil der ursprünglichen Innenausstattung erhalten und sich dann würdig einfügen in die bemerkenswerte historische Umgebung: Friedhof St. Peter – Schutzengelkirche – ehemaliges Krankenhaus (heute Teil des TUM Campus Straubing) und altes Gärtnerhaus an der Schulgasse. Gleichzeitig bildet es einen Blickpunkt für die Besucher des neuen herausragenden Mitmach-Museums Nawareum.

Diese erfreuliche Entwicklung wurde nicht zuletzt durch das große Engagement des Vereins der Altstadtfreunde eingeleitet, der sich ideell und finanziell für die Erhaltung und Sanierung der Kapelle stark machte. Dazu kamen der Historische Verein für Straubing und Umgebung, das Landesamt für Denkmalpflege, das Stadtbauamt und nicht zuletzt die Straubinger Bürgerspital-Stiftung, die für die Krönungskapelle verantwortlich zeichnet. Schon jetzt ist die „Capeln vnsers Herrn Krönung“ in Altstadt-Führungen eingebunden. Der Tag des offenen Denkmals 2023 wird sicher einen Beitrag zu einer gedeihlichen Zukunft dieses kleinen „Juwels in der Altstadt“ leisten.

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Die Kapelle von außen (links) und der Blick in den Altarraum (rechts). (Fotos Anna Baumeister/Stadt Straubing)

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Der Blick zur Decke und zum Chor (unten).